Früchte, süß und sauer


© Frank Freimuth


Die Zeit ist gnädig

Die Zeit ist gnädig. Der Donner ist verhallt,
die bittere Kälte wärmt uns jetzt wie milde Glut,
ein Beinbruch wiegt nicht mehr als ein gestauchter Fuß
und Steinschlag einst verleiht uns heute Mut.

Die Zeit ist gnädig. Was bitter war, verblasst;
das Liebgewesene wird starkgeträumt
und lässt du zu, dass dich die Götter lieben,
so wird der Schmerz von einst dir noch ein guter Freund.

Wir haben Glück gehabt und Damals überstanden;
wenn wir es wieder lebten, dann mit anderem Blick,
doch wie schon einmal schriebe uns danach die Zeit
betagtes Glückgehabt aufs Konto Glück.



Seminar

Der kleine Fleck weitab der Stadt,
gewählt, weil man sich dort viel stärker plagt,
entpuppte sich, in dieser langen Woche,
als Ort erbarmenswerter Jagd.

Sie war ein wenig scheu und drängte nicht nach vorne,
gepflegtes, dunkles Haar um längliches Gesicht;
sie lächelte durchaus bei vielen Späßen,
lauthalses Lachen aber sah man nicht.

Er hatte sie am ersten Tag schon auf der Kimme,
und setzte sich platztauschend Knie an Knie,
und wenn sie auch nicht freudig überschäumte,
so goss er doch den Schwall der Worte über sie.

Sein ganzer Körper sagte ständig nur "ich will",
die Augen fügten an "du kommst nicht aus";
die kleine Frau, sie wurde immer stiller,
und schließlich schlichen sie hinaus.

Zum Frühstück kamen sie gemeinsam,
sie ging errötet lächelnd hinter ihm,
und schamlos grinsend führte er die Beute
in die verlegen-stille Meute.



Ex Libris

Im dicken Mantel bist du angekommen,
als bräuchtest du vor meiner Liebe Schutz;
ich habe ihn gleich abgenommen
und drückte dich ganz fest an meine Brust.

Du warst, nach schwer beherrschtem Warten,
für meine lang gezähmte Lust bereit,
und ich strich dir, dort wo du rund bist,
mit sanften Händen übers Leinenkleid.

Von dem, was kam, mag ich nichts missen;
ich ließ mich gänzlich von dir leiten,
vertraute auf dein tiefes Wissen
und las aus dir, auch die geheimsten Seiten.



Steuermann, halt die Wacht!

So wie der kleine Kegel, der nur des Eisbergs Spitze ist,
Und der das Schiff versenkt, welches das Meer durchmisst,
so birgt ein Wort, leicht hingesagt im Schnellen,
manchmal ein Ungetüm, das sich entblößt mit grausem Bellen.
Das Monster ist gebaut aus unerfüllten Träumen,
aus unbedachtem Tun und achtlosem Versäumen.



Herbst

Ich stehe müßig unter goldgefärbten Blättern,
derweil die Amsel emsig Laub durchsucht,
durch halb entblößte Bäume dringt die Sonne
und ich denk mir mit herbstgedämpfter Wonne:
Blüten sind schön, doch besser schmeckt die Frucht.




Abenteuer

Es ist schon spät, nicht mal zur Hälfte oben,
keuchend dahingeschleppt seit was weiß ich,
auf steilen Stufen Stöcke ohne Sinn getragen -
Er weit voraus und halb so alt wie ich.

Das Blut pocht wild in meinen Adern,
der Fels ist brüchig, und das ohne Seil; -
Er wartet ab und zu auf einem Stein;
bei gleichem Weg ist meiner doppelt steil.

Der Abstieg ist dann nur noch Qual,
Gelenke schmerzen und die Zehen,
mein Geist ist stumpf und halb entschlafen,
und drängt doch stets zum Weitergehen.

Der Schmerz wird bald vergessen sein,
auch die Gefahr verblasst, sobald sie ruht;
der Rest verbleibt auf unseren Konten,
Und mit der Zeit verzinst sich unser Gut



Ein gutes Gedicht

Wenn du den Eindruck hast,
es würden Elfen singen,
wenn du ganz sicher bist,
es kann nicht besser klingen,
wenn dir gelingt, es anzusehen
ohne Ausbruch deiner Wehen,
wenn du es liest ganz ohne Pein,
dann kann es auch nicht wertvoll sein.



So leicht dahin

So leicht dahin fließt das Gespräch,
doch jedes Wort aus deinem Mund,
so harmlos es erscheinen mag,
kommt hoch vom tiefen, dunklen Grund.



Unverstanden

Er fühlte sich verstanden
und doch auch wieder nicht;
es war, wie wenn vom Bande
die Stimme tonlos spricht.



Eben noch

Eben noch flog ich so hoch am Himmel
und dachte mir, dass ich ein Glückskind bin.
Nun reite ich den alten, lahmen Schimmel
und frage mich: wo trabt er hin?



Der Kannibale

Er will dein Auto,
und auch dein Haus,
er will deinen Garten
mit Katze und Maus.

Er will deine Kinder,
so wohlerzogen,
und vor allem die Frau,
sie sei ihm gewogen.

Er will deinen Job,
deine Reputation,
er will dein Gesangbuch
von der Konfirmation.

Er nimmt dir alles,
gibt nichts zurück,
er hat was du hattest,
das nennt er Glück.


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