Kurzgedichte
© Frank Freimuth
Jeden Abend
Jeden Abend, jeden Morgen
seh ich mir dein Foto an,
sehe Schönheit und, verborgen,
was nur ich drin lesen kann.
Am Fenster
Die hübsche Polin hat ihn hingeschoben
ans Fenster, weil die Straße bebt;
sein Blick ist starr nach vorn gerichtet,
und keiner weiß, wo er jetzt lebt.
Der Mops
Ganz brav an ihrer Seite
ging stets der kleine Mops;
den hielt sie an der Leine
aus Angst, er ginge hops.
Demnächst
"Ich komme demnächst an".
Er nickte nur ganz stumm;
als sie dann schließlich kam,
lag sein Gebein herum.
Herbst
Zinnoberrot verkleidet war das Laub
als schon die Nebel durch die Täler schwammen;
lasst mich so sein wie diese Blätter waren,
so wohlig warm in roten Flammen.
Knoten
Noch heute wird ihm schlecht bei dem Gedanken
an diesen Satz, den er im Rausch so witzig fand,
und auf den Knien will er Bacchus danken,
dass er ihm Knoten in die Zunge wand.
Nur ein Apfel
Nur einen Apfel trägt er noch, der Baum;
ich seh ihn täglich im Vorübergehen,
berühre ihn wie einen scheuen Traum
und hoffe auf ein Wiedersehen.
Störendes Gewicht
Du bist ein Krieger, der nur vom Siegen spricht,
und hast dir selbst ein Kettenhemd ersponnen;
doch kannst auch du dir nicht entkommen
und ganz am Ende stört dich das Gewicht.
Zu neuen Ufern
Zu neuen Ufern fuhr er aus
und suchte das, was er die Freiheit nannte;
im Alter blieb er gichtbedingt zuhaus
und war erstaunt, dass ihn dort niemand kannte.
© Frank Freimuth