Stéphane Mallarmé

© für die Übersetzung: Frank Freimuth


Stéphane Mallarmé (1842 - 1898) verdiente seinen Lebensunterhalt als Lehrer für die englische Sprache. Diese solide Einkommensbasis erlaubte ihm, in seinem dichterischen Schaffen auf jegliche Strömungen und den Geschmack des breiten Publikums keine Rücksicht zu nehmen. Dagegen zog er eine kleine Zahl elitärer Dichter magisch an. In seinem Wohnzimmer versammelten sich an Dienstagnachmittagen Schüler und Verehrer, unter ihnen Paul Valéry und zeitweise auch Stefan George.

Mallarmés Gedichte, insbesondere die aus der zweiten Hälfte seiner Schaffensperiode, sind rätselhaft bis unverständlich, faszinieren aber viele Leser durch ihren Klang und eine erlesene Symbolik.

Das folgende Gedicht Apparition (Erscheinung) entstand wahrscheinlich 1863 in London. Es ist vergleichsweise gut zugänglich.


Apparition

La lune s'attristait. Des séraphins en pleurs,
Rêvant, l'archet aux doigts, dans le calme des fleurs
Vaporeuses, tiraient de mourantes violes
De blancs sanglots glissant sur l'azur des corolles.
- C'était le jour béni de ton premier baiser.
Ma songerie aimant à me martyriser
S'enivrait savamment du parfum de tristesse
Que même sans regret et sans déboire laisse
La cueillaison d'un Rêve au cœur qui l'a cueilli.
J'errais donc, l'œil rivé sur le pavé vieilli,
Quand avec du soleil aux cheveux, dans la rue
Et dans le soir, tu m'es en riant apparue,
Et j'ai cru voir la fée au chapeau de clarté
Qui jadis sur mes beaux sommeils d'enfant gâté
Passait, laissant toujours de ses mains mal fermées
Neiger de blancs bouquets d'étoiles parfumées.


Erscheinung

Der Mond wurde traurig. Weinende Engel im Traum,
die Hand am Bogen und stille Blumen als Saum,
zogen aus Bratschen, die um ihr Leben rangen,
weiße Schluchzer über blaues Blütenprangen.
- Gesegnet war der Tag durch deine ersten Küsse.
Mein Sinnen, geneigt, dass es mich quälen müsse,
berauschte sich geschickt am Duft der Traurigkeit,
den Träume-Ernten, ganz ohne Scham und Bitterkeit,
dem Herzen lässt, das ihm den Traum bescherte.
Ich aber irrte, auf Pflaster, das dem Alter wehrte,
als du, auf der Straße, noch mit Sonne im Haar
mir lachend erschienst, als der Tag müde war,
und ich glaubte, die Fee mit dem Schleier zu sehen,
die pflegte, durch die Träume des Kindes zu wehen,
die duftenden Sterne nur lose fassend
und in weißen Sträußen schneien lassend.

Übersetzung: Frank Freimuth


Für dieses Gedicht ist hier auch eine ausführliche Besprechung verfügbar.

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