Yeats' When You are Old und sein Update


Yeats' When You are Old und Broken Dreams -
ein Gedicht und sein Update

von Frank Freimuth (2020)

When You are Old ist für William Butler Yeats, was der Herbsttag für Rainer Maria Rilke ist: ein elegantes, wohlklingendes, feierliches und zugängliches Gedicht, das die meisten Leser lie­ben, gleichgültig aus welcher sozialen Schicht sie stammen. Gerade mal ein bisschen senti­men­tal, aber nicht so sehr, als dass sich der Literaturkundige für seine Begeisterung schämen müss­te. Es ist die Sorte von Gedicht, dem weltweit bekannte Dichter wie Yeats und Rilke ihre Be­rühmtheit verdanken, obwohl sie später sehr viel anspruchsvollere Verse schrieben.

When You are Old entstand 1891, als Yeats 26 Jahre alt war. Es war in diesem Jahr, dass er bei Maud Gonne zum ersten Mal (von insgesamt fünf) vergeblich um ihre Hand anhielt. Das Ge­dicht entstand sicherlich unter dem Eindruck dieser Abweisung. Das Gerüst der Gedan­ken­füh­rung entnahm Yeats dem Sonett Quand vous serez bien vieille von Pierre de Ronsard (1524 - 1585). In beiden Gedichten wird einer unwilligen Umworbenen vor Augen geführt, wie sehr sie ihre abweisende Haltung später bereuen werde. Während aber Ronsard vor allem die Schreckgespenster des Todes und des körperlichen Verfalls an die Wand malt

Je serai sous la terre, et, fantôme sans os,
Par les ombres myrteux je prendrai mon repos:
Vous serez au foyer une vielle accroupie,

Regrettant mon amour et votre fier dédain

ist die Gedankenführung von Yeats subtiler. Betrachten wir zunächst seine ersten beiden Stro­phen:

When you are old and grey and full of sleep,
And nodding by the fire, take down this book,
And slowly read, and dream of the soft look
Your eyes had once, and of their shadows deep;

How many loved your moments of glad grace,
And loved your beauty with love false or true,
But one man loved the pilgrim soul in you,
And loved the sorrows of your changing face;

Das Gedicht ist eine Vorschau und in dieser ist die geliebte Frau schon sehr alt. So ist erklärlich, dass sie ständig schläfrig ist und immer wieder am Kamin einnickt. Auf den vorauszusehenden Verfall des Körpers geht der Sprecher zwar nicht ein, aber er merkt immerhin an, dass ihre Augen den sanften Blick und ihre faszinierenden dunklen Schatten verloren haben werden. Ihre jetzige Schönheit lobt er schmeichlerisch, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass er sie nicht nur ihretwegen geliebt habe, sondern auch wegen ihrer "Pilgerseele" und ihrer Sorgenfalten.

Wie bei Ronsard, geht auch bei Yeats der Sprecher davon aus, dass zu dem Zeitpunkt, den das Gedicht beschreibt, die Gelegenheit zur Liebe endgültig vorbei sein wird. Während es bei Ronsard körperlicher Verfall und Tod sind, die diese Unmöglichkeit bewirken, ist es bei Yeats die Resignation des Sprechers, dessen Liebe entflogen ist:

And bending down beside the glowing bars,
Murmur, a little sadly, how Love fled
And paced upon the mountains overhead
And hid his face amid a crowd of stars.

Sie flog über die Berge und verbirgt nun ihr Gesicht in einer Sternenschar, ist also selbst zu einem Stern geworden. Was dies in irdischen Kategorien bedeutet, sagt uns ein Blick zurück in die erste Strophe. Dort wird die Angesprochene aufgefordert, "dieses Buch" zur Hand zu neh­men, also jenes, in dem sich das Gedicht befindet, das wir gerade zu deuten versuchen. Der Sprecher ist also Poet, er hat die Liebe, die die Schöne verschmähte, in Verse gegossen. Eine Form der Liebe, welche der Umworbenen so unahbar fern vorkommen muss wie die Sterne am Himmel.

Auch Broken Dreams ist unter dem Eindruck der Abweisung durch Maud Gonne enstanden. Yeats schrieb dieses Gedicht knapp ein Vierteljahrhundert nach When You are Old, als Maud gerade seinen fünften (und letzten) Heiratsantrag abgelehnt hatte. Obwohl sie sich mit demsel­ben Thema beschäftigen, der abgewiesenen Liebe, liegen doch Welten zwischen den beiden Gedichten. Yeats vollzog gerade einen Umbruch in seinem Schreibstil. Nicht mehr das Wohl­klingende, Dahinfließende und leicht Zugängliche war sein Ziel, sondern das zeitgemäßere Raue, Gebrochene und Geheimnisvolle. Die frühere Einfachheit wich einer Komplexität, die oft durch Vielfalt der in einem Gedicht vereinten Themen gekennzeichnet war. Broken Dreams ist ein besonders ausgeprägtes Beispiel dieses neuen Stils. Es gibt darin nur noch sporadische und unregelmäßig gesetzte Reime, die Strophen und die Zeilen sind ungleich lang, der Rhyth­mus wechselt und die Sprache ist bruchstückhaft. Mehrere Abweichungen vom Hauptthema fordern den Spürsinn des gründlichen Lesers.

Während man bei When You are Old noch die Empfindung haben konnte, dass es sich um eine Botschaft an das Du des Gedichtes handelt, macht Broken Dreams den Eindruck eines Monologs, bei dem das Du zwar in der Vorstellung des Sprechers vorhanden ist, aber niemals die hingemurmelten Worte vernehmen wird. Verständlich, dass in einem solchen Monolog nicht alle Wertungen begründet sind, nicht alle Symbole offensichtlich und nicht alle Meta­phern eindeutig entschlüsselbar.

In der ersten Strophe beschreibt der Sprecher zunächst die aktuelle Verfassung der Angespro­chenen. Sie ist wohl schon im fortgeschrittenen Alter, da ihr Haar grau zu werden beginnt. Früher war ihre Ausstrahlung so groß, dass die Männer jäh den Atem anhielten, wenn sie an ihnen vorbeiging. Diese Zeit scheint endgültig vorbei zu sein. Allenfalls murmeln irgendwelche alten Leute, um die sie gebetet hat, bei ihrem Anblick einen Segen:

There is grey in your hair.
Young men no longer suddenly catch their breath
When you are passing;
But maybe some old gaffer mutters a blessing
Because it was your prayer
Recovered him upon the bed of death.
For your sole sake -- that all heart's ache have known,
And given to others all heart's ache,
From meagre girlhood's putting on
Burdensome beauty -- for your sole sake
Heaven has put away the stroke of her doom,
So great her portion in that peace you make
By merely walking in a room.

Die letzten fünf Zeilen der Strophe bestehen aus einem einzigen komplizierten Satz. Lassen wir zunächst die Nebensätze weg und konzentrieren wir uns auf den Hauptsatz: "For your sole sake ... Heaven has put away the stroke of her doom ...". Er besagt, dass der Himmel nur um der Angesprochenen willen sein Urteil nicht vollzogen habe. Dass es sich beim Himmel um eine oder mehrere Gottheiten handelt, dürfen wir voraussetzen. Schwieriger ist es, eine Aussage darüber zu machen, was mit "Urteil" gemeint ist. Es könnte sich um eines handeln, das die Allgemeinheit angeht, also eine Art jüngsten Gerichts, es könnte aber auch etwas sein, das die Angesprochene persönlich betraf, wie zum Beispiel eine schwere Krankheit, die sie überstan­den hat.

Der Satz enthält zwei Nebensätze, einen eingeschobenen und einen nachgeordneten. Begin­nen wir mit dem nachgeordneten, weil er den Grund für die Aufhebung des Urteils nennt: "So great her portion in that peace you make / By merely walking in a room". Der Urteilsspruch sei nur deshalb nicht vollzogen worden, weil der Himmel so sehr davon profitierte, dass die Ange­sprochene alleine durch Betreten eines Raumes Frieden stiften konnte. Dies erscheint auf den ersten Blick unlogisch, weil ja bekannt ist, wie oft sich Männer um schöne Frauen streiten. Andererseits könnte man sich aber vorstellen, dass Zwistigkeiten erst einmal in der Hintergrund treten, wenn eine faszinierende Frau den Raum betritt. Möglich ist aber auch, dass die Bemer­kung des Sprechers ironisch gemeint ist und das Du alles andere als friedfertig ist.

Der eingeschobene, von Bindestrichen eingerahmte Nebensatz verbindet zwei Aussagen, die inhaltlich miteinander verknüpft sind. Die erste besagt, das Du habe jede Art von Herzweh erlitten und auch selbst bereitet. Die zweite ergänzt, dies sei der Fall gewesen, seit sie mit der Reife eine belastende Schönheit erlangt habe. Diese Belastung kann natürlich mit dem Herzweh zu tun haben, das ihr bereitet wurde und das sie anderen bereitet hat. Schönheit weckt Wünsche und Begehren, welche die Schöne zu Zurückweisungen zwingen, die das Verhältnis zu den Abgewiesenen trüben. Aber Schönheit kann auch aus anderen Gründen belastend sein. Sie kann Ursache eines charakterlichen Defizits sein, einer Erwartungshaltung, in der nur genommen und nicht gegeben wird. Belastend an ihr kann aber auch sein, wenn das gute Aussehen die ganze Aufmerksamkeit der Umwelt auf sich zieht und charakterliche und geistige Tugenden in den Hintergrund treten lässt. Was der Sprecher von diesen Möglichkeiten der Frau zuschreibt, darüber können wir nur spekulieren.

In der zweiten Strophe wird unser Wissen über den Sprecher und die Angesprochene auf raffinierte Art erweitert. Zum ersten und zum einzigen Mal im Gedicht meldet sich der Sprecher hier aus einer Gruppe heraus zu Wort. Wir können uns vorstellen, dass es sich um eine Gruppe von Personen handelt, die des Öfteren zum Gespräch zusammenkommt, um einen Stammtisch vielleicht. Die Angesprochene scheint den Mitgliedern dieser Gruppe zwar bekannt zu sein, allerdings haben sie nur vage Erinnerungen an ihre Schönheit. Offensichtlich hat sie sich schon lange nicht mehr dort blicken lassen. So kennen die Jüngeren in der Runde sie nur vom Hören­sagen. Davon zeugt der zweite Satz der Strophe, der nebenbei geschickt andeutet, dass der Sprecher ein Dichter ist. Ein junger Mann bittet darin einen älteren, ihm von der Frau zu erzäh­len, welche der in sie vernarrte Poet noch besungen habe, als er altermäßig schon längst über eine solche Leidenschaft hätte hinweg sein müssen.

Your beauty can but leave among us
Vague memories, nothing but memories.
A young man when the old men are done talking
Will say to an old man, 'Tell me of that lady
The poet stubborn with his passion sang us
When age might well have chilled his blood.'

Mit der dritten Strophe wird dann zur Gewissheit, dass der Sprecher selbst der vernarrte Poet ist, von dem in der zweiten Strophe die Rede ist. Er breitet jetzt nämlich eine Vision von einem Wiedersehen mit der Angebeteten vor dem Leser aus. Es wird, meint er, erst nach dem beider­seitigen Tod stattfinden. Aus dem fiktiven Dialog wird vorübergehend ein reiner Monolog, denn der Sprecher redet in der dritten Person von ihr. Zunächst konstatiert er noch einmal, dass seine Erinnerungen an sie nur vage seien und er benutzt hierfür dieselbe Formulierung wie in der zweiten Strophe: "vague memories, nothing but memories". Gleich darauf stellt er aber mit Zuversicht klar, dass "im Grab" alles von Neuem beginnen werde. Dann werde er sie wieder­sehen. Sie werde wieder ihre jugendliche Anmut besitzen und er werde mit der Glut seiner jugendlichen Augen auf sie blicken können. Diese Aussicht, so bemerkt er mit einem Anflug von Selbstironie und Zweifel, lasse ihn vor sich hin brabbeln wie ein Narr.

Vague memories, nothing but memories,
But in the grave all, all, shall be renewed.
The certainty that I shall see that lady
Leaning or standing or walking
In the first loveliness of womanhood,
And with the fervour of my youthful eyes,
Has set me muttering like a fool.

Wir können davon ausgehen, dass die Formulierung "im Grab" anstelle des im Zusammenhang mit einem Wiedersehen passenderen "im Jenseits" kein Zufall ist. In Verbindung mit der ironi­schen Schlussbemerkung kann uns diese Wortwahl in der Vermutung bestärken, dass der Spre­cher selbst nicht ganz von seiner Prognose überzeugt ist.

In der vierten Strophe kehrt der Sprecher wieder zum Zwiegespräch zurück. Nachdem er noch einmal die einzigartige Schönheit der Frau betont hat, erwähnt er einen Makel an ihrem Körper, die zu kleinen Hände. Er äußert die Befürchtung, dass sie, die wohl einen Hang zur Perfektion hat, versucht sein könnte, sich durch eine kultische Handlung von diesem Makel zu befreien. Ihm, der sie trotz oder vielleicht sogar wegen ihrer Defizite liebt, wäre lieber, wenn sie um der alten Zeiten willen so bliebe, wie sie ist:

You are more beautiful than any one,
And yet your body had a flaw:
Your small hands were not beautiful,
And I am afraid that you will run
And paddle to the wrist
In that mysterious, always brimming lake
Where those that have obeyed the holy law
Paddle and are perfect. Leave unchanged
The hands that I have kissed,
For old sake's sake.

Die geheimnistuerische und weit ausholende Beschreibung der kultischen Handlung lässt ver­muten, dass sie für den Sprecher nur ein Aufhänger für eine nicht offen ausgesprochene Bedeu­tung ist. Schauen wir uns diese Handlung genauer an. Der Sprecher beschreibt sie schnoddrig-ironisch: die Frau solle nicht ihre Hände bis zum Handgelenk in jenen mysteriösen, stets rand­vollen See tauchen, wie es jene täten, die stets das heilige Gesetz beachtet hätten und die von dem Eintauchen perfekt würden. Mit dem "heiligen Gesetz" sind sicherlich die Dogmen der Kirche gemeint. Seine abwertende Haltung lässt vermuten, dass der Sprecher kein Christ ist. Der Verweis auf das Grab anstelle des ewigen Lebens in der dritten Strophe war schon ein erster Hinweis darauf. Von dieser Erkenntnis ist es nur ein kleiner Schritt bis zu der Vermutung, dass es sich bei dem mysteriösen See um den Weihwasserkessel am Eingang einer Kirche handeln könnte, in den die Gläubigen beim Eintreten ihre Hände tauchen und der immer randvoll ist, weil der Kirchendiener ihn vor dem Gottesdienst auffüllt. Wir schließen daraus, dass der Spre­cher nicht erfreut darüber wäre, wenn die geliebte Frau sich im Alter dem christlichen Glauben zuwendete.

In der kurzen letzten Strophe resümiert der Sprecher seinen Tag:

The last stroke of midnight dies.
All day in the one chair
From dream to dream and rhyme to rhyme I have ranged
In rambling talk with an image of air:
Vague memories, nothing but memories.

Von morgens bis spät in die Nacht hat er in seinem Stuhl gesessen und versucht, Ordnung in seine Erinnerungen an sie zu bringen. Er hat sich dabei "von Traum zu Traum" und "von Reim zu Reim" gehangelt, die ganze Zeit im erratischen Gespräch mit ihr, von der er nur noch vage Erinnerungen hat und die ihm wie ein Bild aus Luft erscheint. Mit dem Passus "von Reim zu Reim" gibt der Sprecher zu erkennen, dass die Gedankenreise, durch die wir ihm als Leser des Gedichts folgten, gleichzeitig der Akt seines Dichtens war. Mit der Erkenntnis, der geliebten Frau nicht näher gekommen zu sein und im Bewusstsein der Vergeblichkeit seiner Hoffnungen beendet er diese Reise und setzt den Punkt hinter den letzten Satz seiner Verse.

Dass der Sprecher sich als Autor des Gedichts outet, hat Broken Dreams mit When You are Old gemeinsam. Auch die Art der Bekanntgabe ist ähnlich. Zuerst erfolgt ein Hinweis, der aber noch nicht volle Gewissheit gibt. Am Ende des Gedichts gibt der Sprecher einen zweiten Hin­weis, mit dem die Einheit von Sprecher und Autor zur Gewissheit wird. Wir dürfen dieses Outing aber nicht missverstehen. Es bedeutet nicht, dass Yeats selbst mit den dichtenden Spre­chern der Gedichte identisch ist. Die Sprecher sind Kunstfiguren, so wie das Outing ein Kunst­griff ist.

Thematisch und im Grundansatz sind die beiden Gedichte einander so ähnlich, dass man das zweite getrost als ein "Update" des ersten betrachten kann. Das Hauptthema ist bei beiden die abgewiesene, lebenslange Liebe des Sprechers zu einer schö­nen Frau, der Ansatz ist der einer Botschaft an die Umworbene. Ob es sich um denselben Sprecher und um dieselbe Frau handelt, können wir alleine aus den Gedichten nicht beurteilen. Möglich wäre es, es spricht nichts dage­gen.

Wie immer bei einem Update unterscheidet dieses sich aber auch in wesentlichen Punkten von der vorherigen Version. Die stilistischen Unterschiede wurden bereits erwähnt, so dass wir uns jetzt auf die inhaltlichen konzentrieren können. Diese sind vor allem im Alter der beiden Protagonisten und der Dauer ihrer Bekanntschaft begründet. When You are Old ist offensicht­lich früher angesiedelt. Der Sprecher hat zwar im Werben um die Schöne bereits Rückschläge hinnehmen müssen, aber er hat wohl noch die Hoffnung, sie irgendwann umstimmen zu kön­nen. In seiner Rede ist noch eine milde Form des Schreckgespenstermalens spürbar, das Ron­sard in seinem Sonett so massiv einsetzte. Auch meint man, beim Sprecher eine Spur von Belei­digtsein ob der Zurückweisung ausmachen zu können. Über das Beleidigtsein ist der Sprecher aus Broken Dreams schon längst hinweg, er ist von Resignation ergriffen. Zwar spielen ihm zwischendurch seine Träume einen Streich, wenn sie ihm ein Wiedersehen in jugendlichem Elan vorgaukeln, aber er kommt danach schnell auf den Boden der Tatsachen zurück.

Die veränderte Attitüde des späteren Sprechers findet ihre Entsprechung im Charakter seiner Botschaft. Vom hochtönenden Gehabe des ersten Gedichts ist im zweiten nicht viel übrig. Dass dieses, obwohl es ein formelles Du gibt, zum reinen Monolog degeneriert ist, wurde schon erwähnt. Dieser Monolog verbindet sich mit der schmucklosen Form, mit diesem von Ab­schweifungen durchsetzten Gemurmel, zu einer perfekten Einheit.


Bist du erst alt

Bist du erst alt und deine Kräfte schwinden,
sitzt du dann dösend am Kamin, nimm dies hervor
und lies: vom sanften Blick, der sich nie ganz verlor,
von Augen, die in tiefen Schatten gründen.So viele liebten dich, wenn du im Glück erstrahltest,
und fanden deine Schönheit ihrer Liebe wert,
nur einer aber hat dein Pilgerherz verehrt
und deine Falten, die du für Sorgen zahltest.Und neigst du dich hinunter zu den Scheiten,
dann zeugt dein Murmeln, wie die Liebe wich
und über alle Bergesgipfel strich
und sich im Sternendunst versteckt für alle Zeiten.

Übersetzung: Frank Freimuth



Zerbrochene Träume

Deine Haare sind von Grau durchsetzt.
Junge Männer halten nicht mehr jäh den Atem an,
wenn du vorbeigehst,
aber vielleicht murmelt irgendein Alter einen Segen,
weil es dein Gebet war,
das ihn vom Totenbett wieder aufstehen ließ.
Nur deinetwillen - die jeden Herzschmerz kennt,
und anderen jegliches Herzweh bereitete,
seit das magere Mädchen sie gewann,
die belastende Schönheit - nur deinetwillen
hat der Himmel sein Urteil nicht vollzogen,
weil er so viel hat von dem Frieden, den du stiftest,
nur indem du einen Raum betrittst.

Was deine Schönheit bei uns lässt, ist nichts
als vage Erinnerung, nichts als Erinnerung.
Es wird ein junger Mann, wenn der verstummt ist,
einen alten fragen: "Erzähle mir von dieser Frau,
die jener Dichter, stur in seiner Liebe, uns beschrieb,
als ihn sein Alter hätte schon ernüchtert haben können".

Vage Erinnerung, nichts als Erinnerung,
doch dann im Grab wird alles, alles wiederkehren.
Das Wissen, dass ich diese Frau
sehen werde, lehnend, stehend, gehend
in der ersten Anmut ihrer Weiblichkeit
und mit der Hitze meiner jugendlichen Augen,
es lässt mich brabbeln wie ein Narr.

Du bist schöner als jede andere,
und doch hatte dein Körper einen Makel:
deine kleinen Hände waren nicht schön,
und ich fürchte, du wirst losrennen
zu diesem mysteriösen, stets randvollen See,
und dort bis zum Handgelenk herumplanschen,
wo jene, die das heilige Gesetz beachtet haben,
planschen und vollkommen sind. Lasse sie, wie sie sind,
die Hände, die ich geküsst habe,
um der alten Zeiten willen.

Der letzte Schlag um Mitternacht verklingt.
Den ganzen Tag, in einem Sessel sitzend,
habe ich, von Traum zu Traum und von Reim zu Reim,
im planlosen Gespräch mit einem Bildnis aus Luft,
vages Erinnern geordnet, nichts als Erinnern.

Übersetzung: Frank Freimuth


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