Balladen

© Frank Freimuth


Johanna

Seitdem ich damals auf sie traf,
verging so viel von meiner Zeit,
dass ich mir nicht mehr sicher bin,
was Traum ist und was Wirklichkeit.

Wir teilten einen langen Blick
und dann ein Lächeln
und den Blick zurück,
bis wir uns gegenüberstanden.

"Ich bin Johanna", sagte sie,
"bin so viel älter,
und schon Witwe,
und auch mir geschah dies nie".

Sie nahm mir die Verlegenheit,
ergriff bestimmt und sanft die Zügel,
und als sie schnell und schneller ritt,
da wuchsen die berühmten Flügel.

Als ich danach nach Worten suchte,
mich fragte, was man da so spricht,
da rutschte sie nur still nach oben
und mit dem Schoß auf mein Gesicht.

"Mein lieber Junge", sagte sie,
"ich weiß, dass ich die erste bin",
und als das Nass der Liebe strömte,
bekam ihr Name einen Sinn.

FF


Die Ballade vom Papagei

Ich rührte im Kaffee, als ich ihn sah;
nur ein paar Tische weg von mir
saß er allein und schmunzelte ein wenig;
er war mir fremd und sicher nicht von hier.

Er hatte schon die siebzig überschritten
und nicht nur seine Schläfen waren grau;
das Tuch an seinem Hals schien übertrieben,
denn Sonne koste und die Luft war lau.

Er stach hervor im grauen Einerlei
aus Anzugtypen, Schülern, Kumpanei;
die Jacke rot, die Jeans so gelb wie Ei -
er hatte was von einem Papagei.

Ich merkte bald, er war hier nicht allein,
denn nun kam sie noch aus dem Tief des Raums
mit zaghaft-kurzen Trippelschritten,
verdeckt nur durch die Gnade eines Baums.

Mein erster Blick traf blau gefärbte Haare,
kurz aufgestellt, mit einem rosa Ton,
der zweite Blick erlitt ein langes Kleid,
so farbig wie ein Schrei von tausend Phon.

Mit Mühe stand er, half ihr auf den Platz,
so wie man dies aus alten Büchern kennt,
ich aber suchte nach dem unbekannten Wort,
mit dem man Solches adäquat benennt.

Als beide schließlich die Balance gefunden,
begannen Runzelhände sich zu drücken;
ich wäre fast am letzten Schluck ertrunken,
denn sie bekosten sich mit tiefen Blicken.

Ich schob die leere Kaffeetasse weg
und stemmte mich mit Mühe aus dem Sitz;
dass nun die Sonne wohlig wärmte,
traf mich im Gehen wie ein Blitz.

Frank Freimuth



Harmony

Wie schade, denkt er zwischen den Regalen,
ich hätt sie gern dabei gehabt bei diesem Kauf,
und lächelnd über wärmende Gedanken,
nimmt er das Einkaufskörbchen wieder auf.

Gut einen Monat ist sie nun bei ihm,
die Wunderlösung, das ist klar;
sie ist Gefährtin, Trösterin, Geliebte,
sie ist ihm das, was Annegret nie war.

Ach, Annegret, er war ihr so verfallen,
das dunkle Haar, die schönen Augenbrauen,
die sie dann später maliziös verzog,
als sie gern sprach vom Glück der andren Frauen.

Sie habe einen anderen gefunden
und dass auch Lieben nun viel schöner sei,
dass Knut, so hieß er, es verstehe,
wogegen er, nun ja - sie lächelte dabei.

Er spürt bis heute noch den Krampf im Magen
von jenem Tag, als sie sich offenbarte
und er sich auf den Schweinebraten freute,
der ahnungslos im Ofen garte.

Er hat dann Harmony im Netz gefunden;
allein der Name schien ihm sehr gelungen,
auch wenn ein paar der Freunde meinten,-
ihr Lächeln wirke oft gezwungen.

Sie ist die Sanftmut in Person,
nicht zimperlich und ohne jede Scham,
sie ist geduldig wie die Frauen Thailands
und schimpfte nie, auch wenn er früher kam.

Fast hätte er verpasst, wonach er suchte
und was sie brauchte, seine Harmony,
er musste sich ein wenig strecken,
da war sie doch, die neue Batterie.

Frank Freimuth



Nancy

Ein ganz verkorkster Tag war das gewesen,
Gespräche, schlecht geplant und ohne Pause,
mein Kopf noch schwindlig vom Papiere-Lesen;
ich wollte weg davon, doch nicht nach Hause.

Nur scheinbar ziellos streifte ich durch Gassen,
bis ich vor jenem Haus stand mit dem roten Licht,
wo Männer sich nach Zeit belieben lassen,
wo Freude winkt und es an ihr gebricht.

Ich sah sie gleich, in einer Nische stehend,
im dünnen, weißen Kleid, verramschte Ware,
die dunklen Augen blickten flehend,
viel schwarze Haut und dicke Kräuselhaare.

Als sie sich auszog auf den kalten Kacheln,
erfasste Zittern ihren schwarzen Leib,
die kleinen Brüste standen vor wie Stacheln,
als wären sie zum Heldenkampf bereit.

Ich wärmte sie und sie erzählte -
dass sie vor Jahren aus den Staaten kam,
von Kindern, die bei Oma wohnten,
und einem Mann, der harte Drogen nahm.

Als sie mich schließlich auf die Treppe führte
war sie verlegen ob der kargen Lust,
ihr Kuss war sittsam, doch ich spürte
ein letztes Mal die Stacheln auf der Brust.

Frank Freimuth



Die Ballade vom Ernst

Die Arbeit machte ihr viel Freude,
war sie auch jämmerlich bezahlt,
was ihr noch fehlte, war ein Partner,
kein Jüngling, doch auch nicht zu alt.

Es wurde anders eines Abends,
als sie im Licht der Läden ging,
als Petrus ohne Warnung grollte,
und er beschirmt die Tropfen fing.

Schon bald war er bei ihr zuhause,
gab ihr, was sie schon lang entbehrte;
die Sonne schien, auch wenn es tropfte
und sich ihr Lohn nun schnell verzehrte.

Und wenn Kollegen sie befragten,
zog sie sein Bild, die Stimme schmolz,
"Das ist mein Ernst, eins neunzig groß,
studiert und nun mein ganzer Stolz."

Er schwärmte oft vom Studium,
verschwieg, dass es kein Abschluss krönte,
dass schließlich jede Frist verfiel,
weil er so sehr dem Nightlife frönte.

Tagtäglich hatte er Ideen,
er wollte große Brötchen backen,
sah sich im Kreis der Großen gehen
und sich nicht bis zur Rente placken.

Ihm fehlte nur ein wenig Geld,
die Banken wollten Sicherheiten.
Ob sie vielleicht? Der Deal war sicher,
und wohl der beste aller Zeiten.

Ein Zögern noch, die Angst vor Schulden,
doch er war schlau und eloquent,
und nahm die letzte große Hürde
mit dem, was man auch Liebe nennt.

Zum Feiern kamen seine Freunde,
sie sah sie Sekt in Gläser gießen,
doch ihr war kalt und ungemütlich,
als sie den Strom des Geldes priesen.

Vom Geldstrom sah man keine Spur
und seine Zuversicht verging;
sie aßen nur noch kleine Brötchen,
als sich die Lust im Frust verfing.

"Wenn du dies liest, bin ich schon fort,
ich kann auf diese Art nicht leben.
Ich liebe dich, das ist mein Ernst,
doch kannst du mir nicht alles geben."

Die Schulden wurden nicht geringer,
der wahre Schuldner - lange fort;
sie fragte oft: war das die Liebe,
gab es vielleicht ein anderes Wort?

Frank Freimuth


© Frank Freimuth

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