John Donne: The good-morrow
The good-morrow
I wonder, by my troth, what thou and I
Did, till we loved? Were we not weaned till then?
But sucked on country pleasures, childishly?
Or snorted we in the Seven Sleepers' den?
'Twas so; but this, all pleasures fancies be.
If ever any beauty I did see,
Which I desired, and got, 'twas but a dream of thee.
And now good-morrow to our waking souls,
Which watch not one another out of fear;
For love, all love of other sights controls,
And makes one little room an everywhere.
Let sea-discoverers to new worlds have gone,
Let maps to other, worlds on worlds have shown,
Let us possess one world, each hath one, and is one.
My face in thine eye, thine in mine appears,
And true plain hearts do in the faces rest;
Where can we find two better hemispheres,
Without sharp north, without declining west?
Whatever dies, was not mixed equally;
If our two loves be one, or, thou and I
Love so alike, that none do slacken, none can die.
Der Morgengruß
Ich frag mich wirklich, was die Tage taugten,
bevor uns diese Liebe traf. Ob wir, wie Nichtentwöhnte,
nur kindisch ländliches Vergnügen saugten?
Ob unser Schlaf wie der der sieben Schläfer dröhnte?
So war's, doch nichts davon war wirklich da.
War jemals mir ein schönes Wesen nah,
das ich begehrte und gewann, warst du es, die ich träumend sah.
Nun guten Morgen unsern Seelen, die erwachen,
von denen eine furchtlos sich zur anderen gesellt,
denn Liebe, jede, kann den Rest so öde machen,
sie macht den kleinen Raum zur ganzen Welt.
Lass die Entdecker neues Land gesehen haben,
lass andere sich an Karten und an Welten laben,
doch unser sei die eine Welt, die wir uns gaben!
Mein Antlitz ist in deinen, deins in meinen Augen,
in den Gesichtern ruhen treue, reine Herzen;
gibt's Hemisphären, die uns besser taugen,
wo keine Sonne sinkt und kalte Winde schmerzen?
Was immer stirbt, ist das, was nicht Entsprechung fand;
wenn deine Liebe meine ist, wenn wir im liebenden Verband
so gleich sind und nicht wanken, hält diese Liebe stand.
Übersetzung: Frank Freimuth
Er war nur acht Jahre jünger als Shakespeare, aber sein Denken und Fühlen unterschied sich gehörig von dem des älteren und bekannteren Kollegen. John Donne (1572 -1631) wird den metaphysischen Poeten zugeschrieben, deren bedeutendster Vertreter er war. Er entstammte einer wohlhabenden katholischen Kaufmannsfamilie und fand sich trotz des Wohlstands aufgrund seiner religiösen Ausrichtung in seiner sozialen und beruflichen Entwicklung benachteiligt. Vielleicht war es aus diesem Grund, dass er sich schon in jungen Jahren der anglikanischen Kirche anschloss. Sein Streben nach Anerkennung ließ ihn an Feldzügen des Grafen Essex und Sir Walter Raleighs teilnehmen. Später ließ er sich ins Unterhaus wählen und wurde Sekretär des einflussreichen Lord Egerton. Durch eine heimliche Heirat mit dessen Nichte Anna More ruinierte er allerdings seine politische Karriere. Nach der Entlassung aus dem Dienst des Lords bemühte er sich zwölf Jahre lang vergeblich um ein Amt. Schließlich trat er in den Dienst der Kirche ein und brachte es dort zum Hofprediger und Dekan der St. Pauls-Kathedrale.
Donne schrieb nicht nur erotisch aufgeladene Liebesgedichte, sondern auch eine Vielzahl von religiösen Gedichten. Der Ton zwischen den beiden Arten ist nicht so unterschiedlich, wie man annehmen könnte. Manchmal nehmen Liebeserklärungen bei ihm fast religiöse Züge an, während religiöse Themen mit fast erotischer Leidenschaft formuliert werden. Donnes Sprache ist direkt und manchmal sogar rauh, Syntax und Form sind weitaus weniger perfekt als bei Shakespeare.
Der Morgengruß (The good-morrow) ist ein leicht zugängliches Liebesgedicht, das aus drei siebenzeiligen Strophen besteht, die jeweils grob dem Reimschema ababccc genügen. Meine Übersetzung ist hinsichtlich der Reime etwas genauer als das Original.
Donnes Vorliebe für einfache und direkte Sprache zeigt sich gleich zu Beginn der ersten Strophe. "Ich frag mich wirklich" (im Original: "I wonder, by my troth") ist Umgangssprache und fern von der elaborierten Ausdrucksweise der Sonette Shakespeares. Mit den "ländlichen Vergnügen" dürfte Sex gemeint sein, der nicht von Liebe begleitet war. Im englischen Original ("sucked on country pleasures, childishly") befördert die Lautverwandtschaft der ersten Silbe von "country" und dem Wort "cunt", einem Wort für das weibliche Geschlechtsteil, diese Assoziation. Mit den "sieben Schläfern" (Seven Sleepers) sind die sieben Christen gemeint, die von dem römischen Kaiser Decius in einer Grotte eingemauert worden sein sollen. Der Überlieferung nach sollen sie dort zweihundert Jahre schlafend verbracht haben, bevor sie wieder aufgeweckt wurden und auf eine Welt trafen, in der das Christentum eine Weltreligion geworden war. Wir können die Aussage der ersten Strophe griffig in einem Satz zusammenfassen: Alles, was wir bisher an sinnlichen Freuden erlebt haben, war nur ein Vorgeplänkel, verglichen mit dem, was wir jetzt durch unsere Liebe erleben.
In der zweiten Strophe wird deutlich, weshalb das Gedicht so heißt, wie es heißt. Sie beginnt mit
And now good-morrow to our waking souls ...
Mit dem "Guten Morgen" werden die Seelen des Liebespaares begrüßt. Dem "Morgen" kommt hier gleich zweifache Bedeutung zu. Zum ersten ist er die Zeit, zu der das Paar nach einer Liebesnacht erwacht, zum anderen kann er als der Wendepunkt gedeutet werden, an dem die unbefriedigenden erotischen Abenteuer vorbei sind und die beiden durch ihre Liebe zueinander Erfüllung finden. Der Ort, an dem sie sich an diesem Morgen befinden, ist für beide Deutungen derselbe. Es ist das Schlafzimmer, der kleine Raum, der für sie die ganze Welt geworden ist. Alle anderen Orte spielen keine Rolle mehr.
In der dritten und letzten Strophe erklärt der Sprecher, weshalb
diese Liebe so wunderbar ist und warum sie von Dauer sein muss: Beide Partner erkennen
ihr Gesicht in den Augen des anderen wieder, und in diesen Gesichtern sind
treue, reine Herzen zu erkennen. Wie zwei Hälften einer Weltkugel empfindet
der Sprecher sich und seine Partnerin. Nichtsdestotrotz scheint ihn ein
leichter Zweifel anzuwehen, denn der Rest der Strophe liest sich wie eine
Beschwörung. Wenn ihre Liebe wie eine einzige sei, so der Sprecher, wenn sie
beide so gleich in ihrem Lieben seien, dann müsse diese Liebe Bestand haben.
zur Übersichtsseite Blick über den Zaun (Gedichtbesprechungen)